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Bild von Reiffenstein
Carl Theodor Reiffenstein (1820-1893)
Landschaftsmaler und Frankfurter Bildchronist
Reiffensteins „Sammlung Frankfurter Ansichten“ gehört zum Gründungsbestand des Historischen Museums. Der Künster verkaufte sie 1877 der Stadt. In 2.000 Aquarellen und Zeichnungen sowie auf 2.400 Manuskriptseiten hielt er das alte Frankfurt fest.

Suchergebnis für R0453

Band 5, Seite 193
Kleine Waffel
Graubengasse 13
G.133
24. Juni 1874
Massiver Unterbau, mit einem engen Höfchen; es ist eines der größeren Häuser und hat ein höchst charakteristisches Aussehen mit seinen sichtbaren Balken, früher waren mehrere Häuser der Art in der Gasse noch zu finden, wurden jedoch nach und nach alle in
Band 5, Seite [194]
Weise des Malers an und half ihm getreulich bei der Herausgabe der Ansichten der verschiedenen Stadtthore und Warten, um ihm ein kleines Verdienst zu verschaffen. Er starb in den dürftigsten Umständen im Jahr 1833. Sein Bruder war ihm im Tode vorangegangen. Weiter wohnte in diesem Hause, ebenfalls im ersten Stock, eine zweite Stadtfigur, nämlich der Bänkelsänger und Harfenspieler Schwalbach; er war ein Findelkind, kannte seine Eltern nicht und wurde bei dem Bade Langenschwalbach im Wald ausgesetzt gefunden. In den Wirthshäusern des Abends im Winter mit seiner Harfe herumziehend, sang er Lieder aller Art, auch zuweilen welche, deren Vortrag er besser unterlassen hätte, indem ihm als schon hochbejahrtem Manne derartige Dinge nicht wohl anstanden. Eine zweite Erwerbsquelle für ihn war das Auflegen einer kleinen Lotterie, in welcher Pakete Lebkuchen gewonnen wurden, wobei er, wenn er im Begriffe war, die treffende Nummer zu ziehen, auch rief: „Allenzeit guckt er, meine Herrn“, eine Redeweise, die ganz stereotyp geworden war und in aller Munde gehört wurde. Auch auf dem Marktschiff, das nach Mainz fuhr, trieb er im Sommer sein Wesen. Er wurde ebenfalls gegen das Jahr 1836 vom Tode in ein besseres Jenseits abgerufen. In diesem Hause ereignete sich auch die in meinen Jugenderinnerungen erwähnte komische Sache mit dem Quartiergelderheber.
Das Haus wurde bei dem Brand von 1719 bis auf dem Grund zerstört und gehörte damals dem Bierbrauer Tit. Maximilian Kissner. Ob es von demselben wieder aufgebaut wurde, konnte ich nicht ermitteln. Der Hausehren mit dem Kellereingang ist in den Abb. [R0453] nachzusehen. In neuerer Zeit hatten sich im ersten Stock liederliche Dirnen angesiedelt, welche das Haus in Verruf brachten.
Band 5, Seite 195
Graubengasse 13
G.133
11. April 1879
Seit einiger Zeit in seinem Unterbau total entstellt. Ueber der Hausthür im Schlußstein die Jahreszahl 1719. H. K. und das Zeichen eines Bierbrauers. Es wurde bei dem Brande von 1719 bis auf den Grund zerstört und gehörte damals einem Bierbrauer Namens Maximilian Kissner. Dießmal ist das Bierbrauerzeichen nicht wie gewöhnlich eine Maischgabel, sondern ein Braubottich.

In diesem Hause wohnte in den 30er Jahren im 2. Stock ein äußerst origineller Kautz, ein Schneidermeister Namens Zinsz. Er war mit einem schlagenden Mutterwitz begabt. Freiwilliger vom Jahr 1814, erzählte er seine Erlebnisse während dieses Feldzugs auf eine äußerst humoristische Weise. Er war ein sehr gebildeter Mann, sehr musikalisch und besaß eine ganz besondere technische Kenntniß des Orgelbaus und Orgelspiels, verrieth überhaupt viel Sinn für ernste Musik.
Er verfertigte Schlafröcke und trug sie zum Verkauf aller Welt an, so daß er dadurch eine Art von Stadtfigur wurde und den Namen Schlafrock Zinsz erhielt; es ging ihm und seiner braven Frau hinderlich; seinen Fähigkeiten nach war er zu etwas Besserem bestimmt. Er war ein höchst gewandter und origineller Erzähler und verstand es meisterhaft, seine Vorträge mit Kraftausdrücken zu würzen. Trotz seiner manchmal höchst kärglichen Existenz war er ein redlicher und braver Mann. Er starb im Anfang der vierziger Jahre.