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Bild von Reiffenstein
Carl Theodor Reiffenstein (1820-1893)
Landschaftsmaler und Frankfurter Bildchronist
Reiffensteins „Sammlung Frankfurter Ansichten“ gehört zum Gründungsbestand des Historischen Museums. Der Künster verkaufte sie 1877 der Stadt. In 2.000 Aquarellen und Zeichnungen sowie auf 2.400 Manuskriptseiten hielt er das alte Frankfurt fest.

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Band 6, Seite 61
Weisser Hirsch
Großer Hirschgraben 3
F.63
8. Februar 1872
Da in der allernächsten Zeit der Abbruch der Gebäude und die Zerstörung des Gartens ihren Anfang nehmen wird, so ist es nun doch an der Zeit, diesem merkwürdigen Platz noch einmal eine erhöhte Aufmerksamkeit zuzuwenden, ehe man auf immer von seiner jetzigen Gestalt und seinem jetzigen Aussehen Abschied nimmt. Schon im Jahr 1849 hatte ich den Garten Behufs der genaueren Besichtigung der Stadtmauer am Weißfrauenkloster durch und durchgestöbert und viel Interessantes darin gefunden, heute nun finde ich ihn merkwürdigerweise noch ganz unverändert und in demselben Zustand. Es kann nicht leicht ein stilleres und einsameres Plätzchen geben als es hier zu finden ist, und man vermag kaum dem Gedanken Raum zu lassen, daß man sich in dem Jahr 1872 und inmitten einer volkreichen, nach allen Richtungen sich täglich ausbreitenden Stadt befindet, deren Bevölkerung mit fieberhaftem Eifer nach den Errungenschaften der Neuzeit strebt. Die dunklen Mauern und Dächer des Weißfrauenklosters schauen mit ihren schlanken und zierlichen Thürmchen noch gerade so ernst über die dichtbelaubten Linden in den schattigen und kühlen Garten herein wie damals, und wenn auch ihr Bild sich nicht mehr in dem seit geraumer Zeit zugeworfenen Teiche spiegelt, dessen Stelle jedoch immer noch trotzdem genau zu erkennen ist, so bleibt doch noch genug übrig, um sich vollständig aus unserer Zeit hinaus und weit zurück in die Vergangenheit zu versetzen, welche in ihren einfachen Zuständen diesen beschaulichen Gemüthsstimmungen allerdings weit mehr Vorschub leistete als das Schnauben und Pfeifen der Bahnzüge, die alles ruhige Element nach und nach auf immer zu entführen drohen. Ein Blick auf meine in 1849 angefertigten Zeichnungen wird dieß zur Genüge beweisen. Die Stadtmauer ist hier, und zwar mit ihren ältesten Theilen, in einer Vollständigkeit erhalten, wie in unserer Stadt nirgends mehr und braucht,
Band 6, Seite 63
geboren wurde und hierher über diesen und die benachbarten Gärten weg schweifte sein Blick; kein Wunder, wenn er den dadurch wachgerufenen elegischen Empfindugen einen begeisterten Nachruf in seinem „Dichtung und Wahrheit“ widmete.
In der Mauer neben der Thüre nach dem Mohrengarten hin befinden sich einige zugemauerte Fenster und Thüren, welche uns den Beweis liefern, daß der Verkehr zwischen den Nachbarn ein durchaus freundlicher gewesen seyn muß und von einer strengen Trennung keine Rede war. (s. Gallengasse 5).
Der Mohrengarten gehörte in letzter Zeit, ehe er als Speculationsobjekt verkauft wurde, mit seinem ungeheuren Terrain von 180.000 Quadrat-Fuß der Familie v. Holtzhausen und wurde für die Summe von 180.000 fl. von dieser verkauft. Was würde wohl heute bei den jetzigen Preisen dafür erzielt werden können, wo der Quadratschuh mit 10, 15 und 25 fl. bezahlt wird? -
In dem Hofe liegt noch das alte Pflaster und bildet die oben erwähnte alte Stadtmauer durch seine ganze Länge hin bis zu dem Vorderhause die Grenze nach dem Weißfrauenkloster. An diese Mauer lehnt sich ein Ausbau, der Thurm genannt, ein höchst malerischer Bau, wie es scheint aus dem 16. Jahrh. mit alten gut profilirten Fenstergewändern. An seiner, wie es außer allem Zweifel steht, erst in diesem Jahrhundert eingebrochenen Thüre steht ein uralter Taxus, dessen Durchmesser unten bei der Erde nach meiner eigenen Messung 18 Zoll betrug.
Das Vorderhaus, das in seinen nach dem Hofe zu gelegenen Theilen mit Schiefersteinen beschlagen ist, hat seinen Eingang unter dem Thorbogen, es stammt aus dem 16. Jahrh., erlitt aber im vorigen Jahrh. sowie im Jahr 1867 bedeutende durchgreifende Veränderungen. (S. Abb. [R0082] vor der Veränderung gez. 1866). Ich erinnere mich noch, daß die Fenster roth eingefaßt waren und runde Scheiben
Band 11, Seite [198]
Weißer Hirsch | Stadtmauer | Weißfrauenkloster
23. Februar 1877
Bei dem gegenwärtigen Abräumen der Erde vor der noch stehenden alten Stadtmauer findet sich ein großes Stück vor, dessen Steine in ähren-förmiger Verbindung zusammengelegt sind, es ist schon ziemlich tief der Grund weggenommen und noch kein Fundament sichtbar. Mit dem Neubau der Häuser, deren drei davor zu stehen kommen, wird dieselbe wohl bald ganz zugedeckt und nicht mehr sichtbar seyn.