21. August 1867
Heute starb an einer Lungenentzündung der Eigenthümer des Hauses Dr. Senftleben in einem Alter von 76 Jahren mit Hinterlassung eines ziemlich bedeutenden Vermögens, das sich großentheils in baar in allen möglichen Kisten und Kasten vorgefunden.
Er lebte nur von kalten Speisen, äußerst einfach und hielt nicht sonderlich viel auf Reinlichkeit, so daß es in seiner Stube, welche er niemals reinigen ließ und in der letzten Zeit zu allen Bedürfnissen benutzte, vor Gestank nicht auszuhalten war. Als ich ihn vor einigen Jahren besuchte, um mir das Innere des Hauses, dessen stets verschlossene Thüren und Fenster schon längst meine Neugierde aus das Höchste gereitzt hatten, anzusehen und wo möglich zu zeichnen, fand ich ihn, nachdem ich einige Zeit wegen des Eintretens zu ihm erst mit seiner Hausmagd, sodann mit ihm selbst parlamentirt hatte, in einen langen alten grünen Schlafrock bekleidet mit einem ungestärkten Hemde, ein paar Unterhosen, Strümpfe und Pantoffeln. Das Haar lang und grau und nimmer in Ordnung gebracht, hing ihm wirr auf die theilweise schon kahle Stirn, über die rothberänderten Augen und in derselben Weise zeigte sich der lange dürre Bart verwahrlost. Er sprach mit feiner Stimme, war sehr schüchtern, ängstlich und zurückhaltend, sonst aber artig und mit den Formen der gebildeten Welt vertraut. Das Zimmer des ersten Stocks, das die Ecke mit der Zeil und der Friedbergerstraße bildete, machte mir einen seltsamen Eindruck, und ich hätte niemals geglaubt, im Jahre 1865 in Frankfurt am Main etwas Derartiges zu finden. Die Fenster nach der Zeil hin waren so erblindet und bestaubt, daß ich die gegenüberliegende Constablerwache nicht erkennen konnte. Diejenigen nach der Friedbergergasse hin aber waren mit einem Stoff zugenagelt, der in unordentlichen Falten herumhing und über und über bestaubt war. An diese ans