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Bild von Reiffenstein
Carl Theodor Reiffenstein (1820-1893)
Landschaftsmaler und Frankfurter Bildchronist
Reiffensteins „Sammlung Frankfurter Ansichten“ gehört zum Gründungsbestand des Historischen Museums. Der Künster verkaufte sie 1877 der Stadt. In 2.000 Aquarellen und Zeichnungen sowie auf 2.400 Manuskriptseiten hielt er das alte Frankfurt fest.

Band 6 - Buchstaben H I J

Buchstabe H

Band 6, Seite 1
Goethéscher Garten
Haidenweg 14
4. Juni 1862
Wenn dieses Bild auch scheinbar sonst nichts Bedeutendes aufzuweisen hat, so giebt es doch einen genauen Einblick in die damaligen einfachen und bescheidenen Gartenanlagen. Ich erinnere mich noch recht gut, daß die meisten Gärten vor der Stadt dieses Aussehen hatten. Die steinerne Thüre links bildet den Eingang, in ihrem Sturz finden wir die Buchstaben F. G. 1725 eingehauen. Friedrich Georg Goethe, Schneidergeselle, der Sohn eines Hufschmiedes, getauft 1658 zu Artern in Thüringen, copulirt 18. April 1687 in erster Ehe mit Frau Lutz Schneiders Wittwe; dieselbe starb 1700, in zweiter Ehe 1705 mit Frau Cornelia Schellhorn, Wittwe, Besitzerin des Gasthofes zum Weidenhof. Er starb 13. Feb. 1730, seine hinterlassene Wittwe 26. März 1754; von ihm rührt diese Inschrift her. Die zweite Wittwe ist die Großmutter, deren Goethe erwähnt als einer alten, stets weiß und reinlich gekleideten Frau. Wie das Bild es zeigt, so bestand die ganze Gegend noch bis vor wenigen Jahren, auch hat es, so lange mir denkt, niemals anders ausgesehen, mein Gedächtnis führt mich in meine Knabenzeit zurück, in welcher ich mit den Söhnen des damaligen Besitzers des Gartens (Wildprethändler Enders)
Band 6, Seite [2]
s. Graubengasse 28 - häufig denselben besuchte und wir darin unsere Spiele trieben. Nach der Straße zu war es mit einem lebendigen Zaun, nach hinten mit Bretterwänden eingeschlossen, der hintere Theil diente als Küchengarten. Das auf dem Bilde sichtbare Häuschen, welches ein Hauptkennzeichen des Bornheimerweges ausmachte, ist erst vor zwei Jahren abgebrochen worden und habe ich es, obgleich es nicht zur Hauptsache gehört, doch mit in den Kreis der Darstellung gezogen, weil es ein höchst charakteristisches Bild der damaligen Garten- oder Sommerhäuschen abgiebt, welche beinahe alle so ausgesehen haben. Auch der Enders‘sche Garten war vor zwei Jahren verkauft, in drei Theile getheilt und Häuser hineingebaut, so daß man die Stätte kaum noch erkennt.
Zur Zeit von Goethes Kinderjahren stand das Wohnhaus in dem Garten noch nicht, sondern es war nur das kleine Lattenhäuschen vorhanden, das Herr Enders mit einer Rückwand von Brettern versehen ließ, es konnte nur nothdürftigen Schutz gewähren, wie man überhaupt zu jener Zeit sich nur vorübergehend in den Gärten aufhielt.
Frau Engel, welche den Nachbargarten besaß und mit der Familie Goethe bekannt war, erzählte, daß sie oft bei der Frau Rath Goethe im Garten gewesen sey und von ihr mit vortrefflichem Obst bewirtet wurde.
Der Vater des Herrn Enders hatte denselben im Jahre 1812 erkauft, also 4 Jahre nach dem Tode der Frau Rath.
Band 6, Seite [unpaginiert]
Hainerhof | Domplatz
[kein Datum]
Band 6, Seite 3
Grosse Linde
Domplatz 6 | Hainerhof 1
L.174
27. Juni 1853
Dieses Haus wurde im Jahr 1804 von Herrn Rittershaus neu durch den Architekten Salin erbaut. Bei dem Abbruch des alten Hauses, das früher ein vorstehendes Eck gewesen, wie dieß auf der Abbildung der Domdechanei zu sehen ist, s.d. fand man unter einer Steinplatte des Fußbodens eine Anzahl Ducaten von Frankfurter Gepräge, welche die Jahreszahl 1634 trugen. Der größte Theil derselben wurde von den Arbeitern entwendet, und nur ungefähr 20 gelangten in die Hände des Hauseigenthümers, Herrn Rittershausens, dessen Familie noch mehrere davon gegenwärtig verwahrt, wie denn auch Frau R. mir Obiges selbst erzählt und die Ducaten gezeigt hat.
Die Wand des Hauses, welche jetzt noch die linke Seite des Thorbogens bildet, ist noch die alte, denn es befindet sich daselbst noch eine zugemauerte Thür mit einem Spitzbogen.
Band 6, Seite 5
Eule
Hainerhof 8
L.178
16. Mai 1873
Das eigenthümliche kleine Höfchen, das in der Abb. [R0214] mit seiner spitzbogigen Thüre so reizend ausnimmt, ist seines alterthümlichen Aussehens beraubt und bei einer Reparatur des Hauses, welche wohl nöthig gewesen seyn mochte, schon seit einiger Zeit in ein modernes Gewand gekleidet worden.
Genau den Zeitpunkt zu bestimmen, vermag ich nicht, aber es ist schon einige Jahre her, zur Zeit der Abb. [R0214] war es noch ganz unberührt. Etwa drei Jahre mögen es seyn, daß die Veränderung stattgefunden hat.
Siehe auch:
Band 6, Seite 7
Hainerhof 6
L.179
14. Juni 1855
Es ist das Hinterhaus von L.18 in der Fahrgasse und hat einen Durchgang dahin, der durch eine mit einem Rundbogen überwölbte Thür, die in dem engen Gäßchen des Hofes mündet, seinen Eingang hat.
Nach dem ebenerwähnten Gäßchen hin hat das Haus ein kleines Höfchen vor sich, das von der Straße durch eine Mauer geschieden ist. Im Inneren des Hauses finden wir das seltsamste Gewinkel Trepp auf, Trepp ab, hinter ungleichen Stockhöfen und seltsamen Zimmern und Stübchen. Dieselben sind manchmal von Trägern an der Decke derart durchzogen, daß man sich beinahe daran den Kopf einstößt und nach heutigen Begriffen kaum eine menschenwürdige Wohnstätte zu nennen, und doch werden diese Räume bewohnt.
Leider ist die nähere Untersuchung dieser Localitäten durch den Umstand sehr erschwert, daß in denselben sich fahrende Dirnen eingenistet haben.
Band 6, Seite 9
St. Bernhards Kapelle
Hainer Hof 4
L.180
Mai 1860
Die St. Bernhards Kapelle ist gegenwärtig mit dem daran stoßenden ehemalig Hessenkassel‘schen Posthause vereinigt und in ein Wirthschaftslocal verwandelt, d.h. der obere Theil derselben. Man hatte sie nämlich schon vor einer langen Reihe von Jahren in einer Höhe von ungefähr 10 Fuß über dem Boden mit einer Balkenlage durchzogen und somit Behufs profaner Benutzung in zwei übereinanderliegende Räume geschieden, deren unterer gegenwärtig als Waarenlager dient. Wann dieß geschehen, konnte ich noch nicht bestimmt ermitteln, doch sagte mir mein Freund Dr. Eduard Rüpel (der berühmte Reisende), dessen Vater Hessenkassel‘scher Postmeister war und sein Bureau in der Kapelle, d.h. in dem unteren Raume hatte, daß die Theilung derselben bereits so lange bestehe als es ihm denke. Er ist 1797 in dem Hause geboren.
Ritter giebt in seinem evangelischen Denkmal folgende Notiz: Seite 3 heißt es „zu St. Bernhard anno 1152 (gestiftet, erbaut oder eingeweiht) eine Kapelle im Hainerhof ohnfern der Fahrgasse, so aber gar nicht mehr anheut (? 1726) im Stande und erhalten (?) -
Sie erhielt 1474 ihre auf unsere Zeit gekommene Gestaltung bis sie, wie eben erwähnt, verunstaltet wurde.
Die zu den unteren Räumen führende Thüre, früher mit einem Spitzbogen geschlossen, dessen Ansätze
Band 6, Seite [10]
man noch sieht, hat man erweitert, d.h. es wurden die Gewände mit einem Meisel ohne Rücksicht auf die Form in eine rechtwinkeligte Oeffnung zu bringen gesucht und können nur ganz ungeschickt und von ganz unwissenden Leuten geleitete Arbeiter ein solches Werk zu Stande gebracht haben.
Meine Abb. [R0210] zeigt die Kapelle, wie sie etwa ehe man sie in diesen Zustand gebracht, mag ausgesehen haben. Das Gewölbe ist vortrefflich erhalten, ebenso die Sockel der Säulen, folglich hatte ich weiter nichts zu thun, als das Zuviel, den eingesetzten Boden herauszulassen. Auch das Maaßwerk ist aus dem Fenster gebrochen und durch einen rohen Kreutzstock, den ich mich nicht entschließen konnte, in meine Zeichnung mit aufzunehmen, denn ich will meine Künstlerhände nicht zum Lastesel der Dummheiten machen und den Ballast der Geschmacklosigkeit und des Unverstandes in Abbildungen durch die kommenden Jahrhunderte schleppen.
Das Fenster der hinteren Mauer der Kapelle gehört ebenfalls nicht dahin, es ist später eingebrochen worden und gehört auch in das Reich tiefer Veränderungen der an derselben Wand nach außen hervorstehende Schornstein. Im Jahr 1852 hat man auch dem Dach ein Zwerghaus aufgesetzt, um auch diesen Raum nutzbar zu machen und somit das Gebäude von außen vollends entstellt.
Die beifolgenden Abbildungen [R1009] [R1010] der Wappen sind die Wappen der Erbauer und finden sich in den Schlußsteinen der Gewölbe vor. Fig. 1. und 2.
Band 6, Seite 11
Wegen der [der] sonstigen Ueberreste sehe man die einschlägigen Abb. nach.
Von der ehemaligen Kapelle, die unzweifelhaft aus dem 13. Jahrh. stammte, ist keine Spur mehr vorhanden. Das, was vor unseren Augen steht, gehört dem 15. Jahrh. wie schon erwähnt wurde, an. Der alte Bau war jedenfalls im romanischen Styl aufgeführt und ist es höchlich zu beklagen, davon keine Abb. zu besitzen, indem die darstellende Kunst bis zu einer so frühen Zeit nicht hinaufreicht. Wie mag der Hof und die Kapelle zu jener Zeit ausgesehen haben? Es fehlt uns jeder Anhaltspunkt, und wir müssen diese Frage mit Schweigen beantworten.
Band 6
11. Mai 1873
Seit einigen Wochen hat man vor die Thüre der Kapelle eine Treppe von vier Stufen aufgemauert und somit der Verunstaltung des Gebäudes, das ohnehin schon schmählich zugerichtet war, die Krone aufgesetzt.
Auch werden an dem Nebenhause, in welchem früher die Hessenkassel‘sche Post sich befand, Veränderungen vorgenommen, von denen man noch nicht absehen kann, wie weit sie sich erstrecken werden.
Wie im Laufe der Zeiten die Kapelle entweiht wurde, wie sie sogar in ein Wirthslocal verwandelt und die entheiligendsten Dinge in unserer aufgeklärten Zeit darin getrieben wurden, gehört nicht in den Rahmen dieser Darstellung und kann ich für meine Person es nur beklagen.

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