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Bild von Reiffenstein
Carl Theodor Reiffenstein (1820-1893)
Landschaftsmaler und Frankfurter Bildchronist
Reiffensteins „Sammlung Frankfurter Ansichten“ gehört zum Gründungsbestand des Historischen Museums. Der Künster verkaufte sie 1877 der Stadt. In 2.000 Aquarellen und Zeichnungen sowie auf 2.400 Manuskriptseiten hielt er das alte Frankfurt fest.

Band 10 - Buchstabe S

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Saalgasse
[kein Datum]
Band 10, Seite 1
Saalhof
Saalgasse 31 | Saalgasse 33
I.68
29. Mai 1865
Der alte Saalhof fesselte von jeher meine Aufmerksamkeit und Einbildungskraft in hohem Grade, und meine ersten mit künstlerischem Bewußtsein ausgeführten Darstellungsversuche habe ich an seinen verschiedenen Gebäuden ausgeübt. Immer zog es mich unwiderstehlich durch das Thor in den stillen Hof; und obgleich ich damals (1835-36) kaum wußte, daß es ein historisch so wichtiges Gebäude sey, kehrte ich doch stets dahin zurück.
Damals war es leicht und bequem, in dem Hofe Studien zu machen, indem die weitläuftigen Gebäude beinahe unbewohnt lagen und der größte Theil der unteren Räume als Gewölbe und Waarenlager vermiethet, selten besucht wurde. Hohes Gras wuchs reichlich daselbst, und der Ort war einsam und abgeschlossen, indem das Geräusch des öffentlichen Lebens nicht so leicht hineindrang, überhaupt in der Stadt damals noch lange kein so lebhafter Verkehr herrschte wie heutzutage. Namentlich aber war der sogenannte dicke Thurm und die alte Kaiserkapelle, die ebenfalls als Waarenlager vermiethet war, der stete Gegenstand des Erstaunens und der Untersuchung, und es wurden von mir diese an malerischem Reiz unendlich reichen Gebäude, damals noch unbewußt ihres baugeschichtlichen Werthes, zu wiederholten Malen gezeichnet und gemalt. Wenn ich diese alten Abbildungen ansehe, beschleicht mich ein eignes Gefühl von Wehmuth wie bei dem Anblicke des Bildes ei-
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nes längst heimgegangenen geliebten Todten. Heimgegangen sind sie nun, die alten Bauten, wenigstens der größere und wichtigere Theil derselben und der schöne Nachruf und die vortreffliche Bearbeitung und Darstellung, welche ihrem Andenken mein Freund, der nun ebenfalls verstorbene General Krieg von Hochfelden in dem Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 1. Band, Heft 3 widmete, gibt ein so vollständiges Zeugniß ihres Werthes und ihrer Bedeutung ab, daß es kaum sich verlohnen dürfte, noch etwas Weiteres hinzuzufügen, und dennoch sind gewisse malerische Reize unberührt geblieben, deren nähere Darlegung der Zweck dieser Zeilen ist, welche übrigens nichts weiter sein sollen als erklärende Winke zu den Abbildungen.
Trat man durch das alte Thor in den Hof, so fand man sich sogleich von einer eigenthümlichen Stimmung angeweht, hervorgerufen durch die Einsamkeit, die daselbst herrschte und durch den Anblick der alten Gebäude, von denen er eingeschlossen war, und obwohl die meisten derselben dem Jahr 1604 und sogar der Hauptbau nach dem Main zu, mit seinem kleinen Höfchen noch einer späteren Periode, nämlich dem Jahre1717 ihre Entstehung verdankten, so lag doch ein gewisser Zauber der Unberührtheit über ihnen, der allerdings seinen Hauptgrund in dem etwas stark vernachlässigten Zustande derselben finden mochte.
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Die Fenster mit den runden Scheiben waren meistens erblindet, auch fehlten der Scheiben manche, und an Spinnweben war kein Mangel. Der jetzt noch stehende Vorbau mit der Thorhalle, welcher neueren Ursprungs ist, war das einzige, was auf eine störende Weise an die Neuzeit erinnerte, schon durch seinen hellen reinlichen Anstrich, und die stets blank gescheuerten Messingknöpfe an der Thüre und dem Klingelzug. Er führt zu dem modernen bewohnten Theile. Wenden wir uns deßhalb von ihm ab, so gewahren wir, durch die Halle hindurch sehend, gleich den alten Ziehbrunnen mit dem verzierten Hakensteine und der Eisenrolle daran. Er stand in der Ecke, und der ganze Bau, dem er angehörte, nebst dem anstoßenden mit den alten Fenstern und Thüren und dem mit Schiefersteinen beschlagenen ersten Stock war höchst malerisch. Es mußte im Sommer sein, so etwa gegen 4 Uhr Nachmittags, alsdann war der Hof ziemlich im Schatten, die Sonne berührte nur noch einen kleinen Theil des Pflasters vor dem dicken Thurm. Dieses sonnenbeschienene Plätzchen wurde immer kleiner, bis endlich der Schatten anfing, an der Wand des Thurmes hinaufzusteigen, allmälig hüllte sich nun der untere Theil der Gebäude in Dunkelheit, und nur oben das Dach und obere Stockwerk des Thurmes prangten und glühten in dem Lichte der sinkenden Sonne. Das war der Moment,
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in welchem jede Erinnerung an die Gegenwart erlosch, und in dem Zauberlichte stiegen die ehemaligen Bewohner, die deutschen Kaiser, vor uns herauf, die längst versunken sind, und deren Glanz erblichen ist, wie das Tagesgestirn jetzt ebenfalls versinkt. -
Der dicke Thurm war ein merkwürdiges Gebäude, an dem die Baukunst beinahe eines jeden Jahrhunderts ihreSpuren zurückgelassen hatte. Alte Bauten nehmen leicht das Aussehen der Unberührtheit wieder an, sobald sie nur einige Jahrzehnte verlassen sind. Alle Entweihungen erlöschen meist mit der lebenden Generation; Wind und Wetter behaupten bei einiger Vernachlässigung sogleich ihr Recht, und man gibt sich gar leicht dem Gefühle hin, als sey zwischen der Entstehungsperiode und der Gegenwart nur eben erst ein paar Tage verschwunden. Und doch, was hat ein solcher Bau Alles erlebt und erleben müssen. Ich nenne nur den dreißigjährigen Krieg und den letzten Krieg gegen die Franzosen im Anfang dieses Jahrhunderts. Die furchtbar dicken Mauern waren theilweise gebrochen, namentlich in den oberen Stockwerke[n], die im 14ten Jahrhundert aufgeführt wurden, doch war im Innern das Mauerwerk vortrefflich erhalten, und an dem im Erdgeschoß liegenden, an die Kapelle stoßenden Gewölbe keine Spur von Zerstörung zu bemerken.
Die Fenster mit ihren tiefen Blenden in den dicken Mauern ließen nur spärlich Licht ein, und waren auch theilweise mit
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mancherlei seltsamem Geräthe verstellt. Aber die Kapelle: Welch ein Schauer durchrieselte mich, als ich sie zum erstenmale betrat, die ich lange gekannt vorher aus den Erzählungen und Zeichnungen meines verehrten Freundes und Lehrers Hessemer. Der Eindruck war nicht zu beschreiben, und ich werde mich wohl hüten, mit Worten es zu thun; es ist unmöglich. Es war ein trüber Regentag und die Beleuchtung durch das kleine Fensterchen aus dem engen Höfchen sehr schwach. Kaum konnte man die Meißelarbeit an den Capitelen erkennen, und erst nachdem sich das Auge an die herrschende Dunkelheit gewöhnt hatte, war man im Stande, die einzelnen Dinge darin genauer zu unterscheiden. Es herrschte eine Todtenstille darin, und ein eigenthümlicher Modergeruch trug nicht wenig dazu bei, den Eindruck zu verstärken. Der Boden, auf dem wir stehen, ist karolingisch im Sinne des Wortes, denn der halbrunde Thurm und das Stück Ringmauer sind im Unterbau die einzigen und höchst seltenen Ueberreste karolingischer Befestigung. Obgleich Krieg v. Hochfelden dieß zur Evidenz nachweist, so habe ich das damals im Jahre 1836, also 6 Jahre früher doch auch schon gewußt, woher weiß ich allerdings nicht mehr, allein es mußte in der Luft geschwebt haben, denn wir Architektenschüler betrachteten es als eine ausgemachte Sache, die sich traditionell von einem Semester in das andere auf die Neueintretenden fortpflanzte. Ja, wir waren
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sogar im Besitze von Gypsabgüssen der vorzüglicheren Säulencapitelen dieses alten Baues, und lange Zeit war ich in dem Irrthum geblieben, es seyen diese Ornamente der Ausdruck der karolingischen Periode, während sie der Hohenstaufen‘schen Zeit angehören. Erst einige Jahre später, als Kallenbach mit seiner vortrefflichen Modellsammlung hierherkam, entschwand mir durch seine Belehrung dieser unbewußt eingeschlichene Irrthum (1842).
Am malerischsten und verlassensten aber zeigte sich die kleine Capelle von dem kleinen Höfchen aus, das auf der Südseite vor ihr lag; es war dieß ein gar heimliches stilles Plätzchen mit altem Pflaster und stark mit Gras bewachsen durch die von allen Seiten hineingeleiteten Dachtraufen. Hier konnte man sich so recht in die alteZeit versetzt glauben und wurde durch nichts in diesem Eindruck gestört.
Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde die Capelle im Jahre 1208 erbaut, und zwar aus den Ueberresten eines älteren anderen Baues, wie Krieg v. Hochfelden vortrefflich und klar darthut. Der obere Aufbau aber mit der Säulenstellung und dem gekuppelten Fenster gehört wahrscheinlich in das 15. Jahrhundert.
Der Unterbau des viereckigten Thurmes stammt aus dem Ende des 10ten oder Anfang des 11ten, das oberste Stockwerk aus dem Ende des 14. Jahrhunderts.
Die Gebäude nach dem Main hin gehören ihrem jetzigen Bestande nach (1836) dem Jahre 1604 an, denn auf dem Plane von Merian
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sind sie bereits ganz in der Form vorhanden, wie sie eben dastehen. In ihnen findet sich ein höchst seltsames Gewinkel von Gängen, Stuben und Treppchen und ihr unterer Theil, dessen äußere nach dem Maine zu gerichtete Wand die alte Stadtmauer ist, zeigt im Erdgeschoß noch ganz deutlich von innen die zugemauerten Schlitze und Zinnen, die allerdings auch von außen sehr sichtbar sind. In dem Theil des Hofes, welcher rechts vom Eingang nach dem Fahrthor hinzieht und ebenfalls von Gebäuden des Jahres 1604 eingeschlossen wird, finden sich weniger bemerkenswerthe Dinge, doch ist derselbe ebenfalls malerisch genug wie die Abb. s.d. bezeugt. Von ihm aus gelangt man neben einem Brunnen mit schönen Verzierungen in Stein gehauen, in ein kleines Höfchen. Ueberall liegt heute noch uraltes Pflaster, zum Theil sogar noch rothe Sandsteine, dazwischen wuchs reichliches Gras und verlieh dem Ganzen einen höchst malerischen und poetischen Reiz, der nunmehr in unsern Tagen zum Theil verschwunden ist. Die Nachricht, der Saalhof wird abgebrochen, traf uns Alle wie ein Donnerschlag und brachte unter uns damals noch ganz jungen Leuten eine merkwürdige Aufregung hervor. Wir hatten uns theilweise an den Studien und den damit verbundenen Eindrücken großgezogen und sollten das nun Alles mit einemmal vor unseren Augen fallen sehen. Alles lief hin und zeichnete und maß. Wo die Sachen alle hingekommen, weiß ich nicht. Was ich damals rettete, befindet sich in meiner Sammlung. Einzelne Stellen existiren noch, allein die Hauptgebäude fielen. Nur die Kapelle blieb
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stehen, wurde aber auch in ihrem Aeußeren ziemlich modernisirt. Im Jahre 1842 im Frühling begann der Abbruch der oben erwähnten Gebäude und wurde ein neues Haus an deren Stelle gesetzt, die Ecken des viereckigten Thurmes an der nördlichen Seite desselben sowie diese ganze Seite blieben mit der östlichen Wand, an welche die Capelle angelehnt ist, stehen, so daß noch heute der Umfang, den das Gebäude einnahm, genau zu sehen ist. Die nach dem Maine zu gelegenen, auf die alte Stadtmauer aufgesetzten Gebäude aber wurden nebst dieser bis auf den Grund abgebrochen. Das Thor, welches den Eingang in den Hof bildet, war früher überdacht, neben ihm befindet sich eine Cisterne für Regenwasser. Die mehrfach erwähnten, ebenfalls im Jahr 1604 erbauten, nach der Saalgasse liegenden Häuser haben durch die Veränderung ihrer Fensterstellung viel von ihrem ursprünglichen Aussehen eingebüßt. Die geschnitzten und gemalten Holzgiebel rettete ich glücklicherweise im Bilde indem am 3. Mai 1863 behufs einer Reparatur derselben der alte Kalkputz herunter geschlagen wurde, wodurch die Ornamente, welche ich schon lange daselbst vermuthet hatte, zum Vorschein kamen. Nun aber sind sie auch für immer verloren, indem man die Ausbessereung, wie dieß hier in Frankfurt gewöhnlich der Fall zu seyn pflegt, den Handwerkern überließ, welche ohne alles Verständniß der Formen die Ausladungen in einer Weise veränderten und dann alles, mit einem jede Spur von früher verhüllenden Kalkputz überkleisterten,
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daß selbst das geübteste Auge nicht mehr im Stande ist, den früheren Werth darin wiederzufinden. Man sehe meine genau nach der Natur gefertigte Abbildung [R0669] und vergleiche sie mit dem jetzigen Bestand. -
Nach gleichzeitigen während des Abbruchs gemachten Notizen und Beobachtungen.
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11. April 1878
Im gegenwärtigen Augenblick werden in dem im Hofe gelegenen Mittelbau eine Menge umfassender und durchgreifender Reparaturen vorgenommen, bei denen ein großer Theil der alterthümlichen Charakterzüge leider verloren geht; es werden, wie man sagt, Arbeiterwohnungen darin eingerichtet. Die runden Scheiben in den Fenstern verschwinden, das alte Holzwerk verliert seinen charakteristischen rothen Anstrich u.s.w. Thüre wurde zugemauert, Fenster verändert, kurz alles umgestaltet.
Bei dieser Gelegenheit soll auch ein alter Kamin, auf welchem sich die Jahreszahl 1591 eingehauen fand, entfernt worden seyn; gesehen habe ich ihn nicht selbst, sondern wurde mir sein Dasein durch Herrn Dr. jur. Haag, dem langjährigen Bewohner und Verwalter der Bauten mitgetheilt. Auch in dessen nach der Saalgasse hin gelegenen, nunmehr von ihm verlassenen Wohnung finden sich eine Menge alterthümlicher Einrichtungen vor, ein altes aus dem Anfang des 17. Jahrh. stammendes Treppengeländer, verzierte Decken u.s.w. Namentlich erregte meine besondere Aufmerksamkeit ein altes Stück Mauer, das nach den Häusern gegen das Fahrthor hin den Saalhof abgrenzte; eine an derselben befindliche alte Bogenstellung oder Verblendung bedarf einer besonderen Aufmerksamkeit, s. Abb. Viel ist zu Grunde gegangen und viel wird noch zu Grunde gehen, retten wir dem
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Andenken, was zu retten ist, und soweit es in unseren Kräften steht, vielleicht wird es mir die Nachwelt danken.
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28. April 1878
Wie mir soeben mitgetheilt wird, sollen die Bruchstücke des oben erwähnten Kamins erhalten worden seyn und unten in einem Gewölbe verwahrt werden; ich bin sehr begierig, dieselben zu sehen und zu zeichnen.
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29. April 1878
Den Kamin habe ich heute gesehen, er hat ganz einfache Renaissancegliederung und trägt auf dem Gesimse, wie schon erwähnt wurde, eine Jahreszahl, welche jedoch 1695 und nicht wie oben erwähnt wurde, 1591 heißt.
Weiter fand sich noch eine Figur des Hl. Gallus vor, die aus dem vorigen Jahrh. stammt, sie ist ungefähr 3 Fuß hoch und ohne künstlerischen Werth.
Herr Zoller, der Sohn der jetzigen Eigenthümerin, zeigte mir mit der größten Freundlichkeit bereitwillig alle Räume und ließ mir sogar stellenweise den Bauschutt wegräumen um zu den Steinen des bewußten Kamins zu gelangen.
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17. August 1879
Seit ungefähr vier Wochen hat die Veränderung der nach der Saalgasse gerichteten Seite der Häuser begonnen, sie bestand aus einem ziemlich langen Gebäude mit Quergiebeln, welche zierlich in Holz geschnitzt waren. s. A. und eine Menge von Fenstern und Thüren unregelmäßig durcheinander gestellt, theils mit Spitzbogen, theils mit Rundbogen überdeckt, auch mehrere mit Segmentbogen, kurz aus den verschiedensten Zeiten zusammengewürfelt, höchst eigenthümlich und charakteristisch für das alte Frankfurt, das
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durch diese Veränderungen wieder ein Hauptkennzeichen verliert. Goethe beschreibt diese Häuser in Dichtung und Wahrheit so lebendig, daß jedes weitere Wort als Ueberfluß erscheint.
Band 10
28. Juni 1880
Mittlerweile sind die Wiederherstellungsarbeiten vollendet und lassen an Geschmacklosigkeit und Unverständniß der Bauformen nichts zu wünschen übrig, der leitende Architekt hat sich da ein sonderbares Denkmal gesetzt, dessen Eindruck nur dadurch abgeschwächt wird, daß man dahier an derartige Schöpfungen gewohnt ist.
Band 10
23. Juni 1879
Soeben wurden die nach der Saalgasse hin gelegenen Räume im Inneren durchaus verändert, Wände herausgenommen u.s.w. und das ganze untere Geschoß zu Läden eingerichtet, auch wird später die Außenseite nach der Straße zu dementsprechend verändert. Sie ist unregelmäßig vielfach umgebaut und entstellt, aber trotzdem auch reich an interessamtem Detail, namentlich Holzschnitzerei an den Giebeln, die leider total überkleistert und verdeckt sind. Die vielen Thüren sind theils mit Rundbögen, theils mit Spitzbögen oder wagerechtem Sturz überdeckt, Fenster nach Bedürfniß hineingebrochen u.s.w. Mit ihrer Veränderung fällt ein Stück Alt Frankfurt.
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26. Oktober 1879
Heute wurde das alte mit einem Spitzbogen überdeckte Eingangsthor des Hofes in Folge der Veränderung des oben benannten Gebäudes eingeschlagen. Die nach
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der Saalgasse hin sehende oben erwähnte Seite mit den Giebeln und den unregelmäßigen Thüren und Fenstern ist in einer Weise verändert, die alles, was mir bis jetzt von Unverständnis der Bauformen vorgekommen ist, weit hinter sich zurückläßt.
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8. November 1879
An die Stelle des alten Thores ist nun ein neues getreten, das mit einem Rundbogen überwölbt ist.
Ein auf dem Dache angebrachtes Zwerghaus neben den alten schönen Giebeln überlasse ich der Beurtheilung der geneigten Leser, ebenso wie die Wappen mit ihrer Umgebung, welche nun über dem Thore angebracht sind.
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Horneck
Saalgasse 36
I.69
12. Juni 1858
Ein Haus mit massivem Unterbau, die Kellergewölbe werden von einer achteckigten Säule getragen, an deren Kopfende oder besser Kopfstein die Jahreszahl 1645 eingehauen ist.
In einem Zimmer des ersten Stocks befindet sich ein steinerner Wandschrank mit einer eisernen reich verzierten Thüre, über derselben in Stein gehauen zwei Wappen, welche sich auch in den Schlußsteinen der Thüre im Erdgeschoß wiederholen. s. Abb. [R0651] [R1140] [R1503]
An einem Horststein der Brandmauer die Jahreszahl 1709 eingehauen.
Dieses Haus bildet das Eck mit dem engen dunklen Gäßchen, das spottweise die kleine Zeil genannt wird.
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Cronenberg | Landeck | Kl. Blumenstein
Saalgasse 44 | Römerberg 8 | Bendergasse 45
I.77 | I.78
4. Juni 1858
Ein Haus mit massivem Unterbau, dessen Thüröffnungen im Erdgeschoß nach dem Römerberg und der Bendergasse hin mit Rundbogen, nach der Saalgasse hin mit Spitzbogen überdeckt sind. Die Rundbogen sind zierlich mit Stäben profilirt, die sich am Bogenansatz mit den senkrechten durchdringen. Letztere endigen unten in einem verzierten Sockel. Auf der Vorderseite des Hauses über den Bogenöffnungen in Stein gehauen das Wappen der Familie Fladen mit der Jahreszahl 1544 [MZ_10-1]. Auf der Seite des Hauses nach der Saalgasse hin dasselbe Wappen noch einmal, ebenfalls mit der Jahreszahl 1544, die Zahl aber anders geschrieben.
Auf dem Eck ein schöner Tragstein, welcher den Uebergang aus dem runden Eck in das Viereck vermittelt und welcher folgende Inschrift trägt, die sich neben der Rundung auf dem Stein noch theilweise fortsetzt:
HAS.DV.GEWALT.SV.RICHT.RECHT.
GOT.IST.DEN.HER.VND.DV.SEIN.KNECHT.
RICHT.NICHT.VF.ENS.MANS.K.H.W.A.S.A.
Die Inschrift ist durchaus genau und alle anderen Lesarten falsch.
Ich lese: Richt nicht uf ens mans klagen
Hör was andere sagen.
Band 10
6. Januar 1879
Seitdem das Erdgeschoß des Hauses zu einem Wirthschaftslocal eingerichtet ist, hat es einen großen Theil seiner Eigenthümlichkeit eingebüßt.
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Storch
Saalgasse 1
M.111
12. Juni 1858
Massiv bis in die Giebel. Ueber der Hausthüre ein Schild „Gasthaus zum Storch 1798“. In den beiden Giebelfeldern sind runde Medaillons von Stein eingesetzt, deren eines das Brustbild eines Mannes, das andere, halb zerstörte, das einer Frau zeigt, von dem Letzteren sind nur die beiden Brüste erhalten. Auf dem Eck steht ein Storch von Blech als Schild des Hauses; im Hofe unter dem Durchgang eine Thüre, mit einem Spitzbogen überwölbt, welche in das Hinterhaus führt, dessen Fenster nach dem Leinwandhause sehen.
Am Hauptbau im Hofe eine große mit einem Rundbogen überwölbte Thüre, zur Hälfte durch den Anbau eines Seitenflügels wieder verstellt, s. Abb. [R1145], sodann alte Holzgiebel mit Schiefersteinen beschlagen und mit alten Wetterfahnen gekrönt, überall runde Scheiben in den Fenstern und am zweiten Stock des Seitenbaus im Hofe links ein Tragstein mit einem Storch und der Jahreszahl 1686, ebenso ein ganz gleicher nach der Straße hin, ebenfalls mit einem Storch und der Jahreszahl 1686.
In den beiden Wetterfahnen der geschweiften Giebel des Vorderhauses die Hausmarke, s. Abb. [R1415] Leider wurde eine der schönen Fahnen vom Sturmwind vor einiger Zeit herunter geworfen und nicht wieder an ihre Stelle gebracht. Im Hofe findet sich noch ein Säulensockel von rothem Sandstein vor.
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3. Juli 1870
In früherer Zeit war auf der Giebelseite des
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Hauses neben den Fenstern des ersten Stocks das Bild eines Storchs angemalt, dessen deutliche Spuren in den letzten Jahren recht erkennbar wieder zum Vorschein gekommen waren, bei der vor einiger Zeit vorgenommenen Reparatur und Uebertünchung des Hauses verschwand dieses Bild sowie die obenerwähnten beiden Medaillons.
Siehe auch:
Band 10, Seite 19
Goldstein | Alter Goldstein
Saalgasse 11
M.116
26. Juni 1858
Ueber der Hausthür eingetieft:
[MZ_10-2]
Band 10, Seite 21
Schinken, drei | Schenken
Saalgasse 13
M.117
22. Juni 1858
Das Haus ist bis unter das Dach massiv. Es ist das einzige Haus in der Stadt, das einen steinernen Ueberhang hat.
In den Zimmern des ersten Stocks befinden sich Stuckdecken von ausgezeichnet schöner Anordnung und Ausführung, es sind die schönsten, welche dahier vorhanden sind.
Auf einem Tragstein unter dem ersten Stock ist beifolgendes Wappen eingehauen, s. Abb. 1. [R1141] Die Hausmarke ist neben der Eingangsthüre auf einem Schild angemalt.
Unter den Fenstern des ersten Stock sind die Brüstungen mit schlechten landschaftlichen Fresken bemalt und darunter eine, die ganze Länge des Hauses durchziehende Inschrift, die ich vor ungefähr 8 Tagen zum erstenmal bemerkte.
Band 10
3. Juli 1858
Als ich heute Morgen hinging, um die Inschrift abzuschreiben, da gerade helles Wetter war, das ich eigends dazu abgewartet hatte, um sie entziffern zu können, war dieselbe unter einem neuen Anstrich, den man mittlerweile dem Hause gegeben hatte, leider spurlos verschwunden.
Band 10, Seite 23
Heilig Geisteck
Saalgasse 17
M.119
9. Juni 1877
Ueber der Hausthür im Schlußstein die rohe Abb. einer Taube ausgehauen, darunter auf einem Band Zum heiligen Geisteck . J. W. K. 1752. Im Gitter über der Hausthür J. W. K. M. verschlungen, dasselbeMonogramm noch zweimal im Thürpfeiler nach dem Gäßchen hin.
Unter dem Nasengiebel einfache geschnitzte Knaggen.
Ganze Ausführung roh.
Band 10, Seite 25
Hausen | Horn | Vorderhorn | Goldnes Oberhorn
Saalgasse 21 | Am Geistpförtchen 5
M.122
18. Juni 1865
Ein altes Haus, welches das Eck mit dem Gäßchen bildet, das nach dem Geistpförtchen führt. Es hat einen massiven steinernen Unterbau mit drei Thüren nach der Saalgasse und zweien nach dem Gäßchen hin. Ueber der mittleren Haupteingangsthüre in der Saalgasse findet sich zu beiden Seiten eines Schildes, auf welchem ein Anker und die Buchstaben C. H. ausgehauen sind, die Jahreszahl 1641 ausgehauen, über der dem Gäßchen zunächst liegenden auf einem Schild ein Hüfthorn mit den Buchstaben I. S. und der Jahreszahl 1718, über der andern ein Schild mit einem gewundenen Horn, s. Abb. [R1341] Ueber der einen Thüre im Gäßchen ebenfalls die Buchstaben C. H. 1641. Auf dieser Seite des Hauses an einem Träger in der Brandmauer des zweiten Stocks ein Hüfthorn an einer Kette hängend ausgehauen mit der Jahreszahl 1730, welche Zahl sich noch einmal auf dem Horststein befindet. Dieser Horststein sowohl als auch der ebenerwähnte Tragstein sind mit dem Hause 3 gemeinschaftlich.
Der Aufbau des Hauses scheint in das Jahr 1641 zu fallen und mögen wohl jene beiden Thüren der einzige noch vor uns stehende Ueberrest jener Periode seyn, indem in der nach der Saalgasse liegenden mittleren Thüre das Bogenfeld mit einem schmiedeeisernen Gitter ausgestattet war, das erst vor ungefähr drei Monaten herausgenommen wurde. Dieses Gitter schien mir eine Nachahmung jenes prachtvollen Exemplares zu seyn, das sich in der Wedelgasse an dem Salzhause, s.d., vorfindet, jedoch ist es in der ganzen Ausführung viel roher gehalten, so daß ich es nicht der Mühe werth fand, es in meine Sammlung aufzunehmen. Die Jahreszahl 1718 und 1730 scheinen sich auf eine durchgreifende Umgestaltung zu beziehen, bei welcher das Haus in seinen sämtlichen Fenstern
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erneuert wurde und auch, wie es scheint, auf sonstige Weise viel von seinem Originalcharakter einbüßte.
Im Inneren hat sich noch manche alte Einrichtung bis auf unsere Tage zu erhalten gewußt, doch ist in den letzten Tagen ebenfalls viel davon wieder verloren gegangen. Wie schon erwähnt, wurde vor einigen Monaten das Gitter über der Hausthüre weggenommen, auch bei den beiden nebenan liegenden Thüren wurden die Gitter, welche jedoch nur einfach aus gekreuzten Eisenstäben bestanden, herausgenommen und die drei Thüren in Läden verwandelt.
Das Haus war, wie die meisten in jenen Straßen liegenden, ausschließlich für die beiden Messen eingerichtet, indem die Saalgasse eine Hauptmeßlage war; in der beiliegenden Beschreibung, welche überhaupt manche schätzenswerthe Einzelheiten bewahrt, wird dieß zur Genüge dargethan. Der Erzähler oder vielmehr der, von dem erzählt wird, war der vor einigen Jahren erst verstorbene, seinerzeit als Augenarzt dahier bekannte Hofrath Dr. med. Wilhelm Soemmering, dessen Eltern in diesem Hause während seiner Geburt wohnten. Sein Vaterwar bekanntlich der ausgezeichnete Gelehrte Thomas Soemmering, eine der ersten wissenschaftlichen Größen aller Zeiten. Der erste Erfinder des elektrischen Telepraphen, was schon neben seinem Ruhm als Anatom und Physiolog ihn für immer unsterblich machen wird. Hofrath Soemmering verlebte in diesem Hause seine ersten Jugendjahre und hat mir alles das, was in beiligendem Hefte erzählt wird, selbst zum öfteren wiederholt, es ist ein hübsches kleines Stück Kulturgeschichte und schon der Mühe werth, erhalten zu bleiben.
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[Haus zum großen Hirschhorn] | [Goldnes Oberhorn]
25. Mai 1865
[Der folgende Artikel von fremder Handschrift (Seiten 27 bis 36) enthält zahlreiche spätere Korrekturen und Streichungen durch Reiffenstein. Der nachstehende Text gibt in allen Teilen die korrigierte Version wieder. Die Seiten 33 und 34 wurden bei der Paginierung versehentlich übersprungen. S. E.]

Vom Hause zum großen Hirschhorn (1641)
Dieser Name muß ein Irrthum sein, indem mir aus Urkunden bis jetzt das Haus nur als Goldnes Oberhorn bekannt ist.
In diesem Hause in der Saalgasse ward Hofrath Dr. med. Wilhelm Sömmering d. 27. Juni 1793 im Ecke des großen Saales im ersten Stock geboren.
Ich bat ihn, mich einmal mit dahin zu nehmen - heute waren wir dort, und ich sah die alten Räume, in denen er seine Kinderjahre verbrachte. Der Eingang ist noch derselbe als damals, und er zeigte mir vor der Thüre die Stelle, wo zeitweise ein vergittertes Gerämse angebacht wurde, hinter welchem noch auf der Straße die Hausbewohner saßen - und er sich noch erinnert, dabei immer beim Bohnenschnitt gesessen zu haben. Damals schnitten noch alle ehrsamen Bürgersfrauen und Töchter selbst die Bohnen zum Wintervorrath ein, es war das immer wie ein Familienfest, wobei sich alle Mitglieder gerne versammelten und fleißig schnitten und dabei es nicht an munterem Geplauder fehlen ließen.
Nach dem Brunnen zu, auf der Straße, fiel das Straßenpflaster schief hinunter nach der Antaue, aus welcher
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häufig Ratten herausliefen. weßhalb die Metzger aus der Nachbarschaft sich oft mit ihren Hunden einfanden um dieselben zu fangen, wobei natürlich die Straßenjugend sich immer mit großem Jubel betheiligte.
Unten im Hause, in dem mit Steinplatten belegten Vorplatze, wurden häufig Schweine geschlachtet, in noch früherer Zeit sogar Ochsen, zu welchem Zweck man noch einen starken eisernen Ring an einem Balken befestigt sieht, an welchem Ring der Ochse in die Höhe gezogen wurde. Einen eigenthümlichen Eindruck macht, von diesem Raum aus gesehen, das Innere des Hauses mit den verschiedenen Vorsprüngen, Dächern, Dachrinnen und Thüren - man kann sich doch etwas dabei denken - was für herrliche Spiel- undVersteckplätze bot solch ein Haus für Kinder jeden Alters - im Gegensatz zu den jetzigen Häusern, die alle so kalt, kahl und langweilig, regelmäßig und poesielos gebaut werden.
Sehr schade ist es in diesem Hause, daß aus verschiedenen Rücksichten die offenen Gallerien, die in jedem Stock angebracht
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waren, durch Bretterwände mit Fenstern verdrängt wurden. Ich ließ mir das ganze Haus zeigen, ja, kletterte mit Gefahr, ganz beschmutzt und zerrissen zu werden, einem kleinen schmalen Treppchen hinauf, bis in einen kleinen Speicherraum, welcher früher als Taubenschlag diente. Die Aussicht aus einigen Dachfensterchen ist sehr frei und sieht man die Spitze des Pfarrthurms, den man überall gerne begrüßt. Das Treppchen nach dem Taubenschlag ist trotz seiner Unbequemlichkeit doch schon eine neuere Verbesserung, denn früher soll dasselbe noch schmäler und ganz senkrecht steil hinaufgegangen sein. Hier hinauf zu den Tauben ward täglich mit vieler Mühe der alte Onkel Salomon hinaufbefördert, um die Tauben zu sehen. Dieser Onkel war von Jugend auf kontrakt an allen Gliedern und brachte sein armseliges Leben auf einem Sessel in der Ecke des großen Saales zu, wo sehr oft Sömmering als Kind auf einem Stühlchen neben ihm saß und sich Geschichten erzählen ließ.
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Er hatte solche Freude an den Tauben, daß ihn nichts abhalten konnte, dieselben täglich mit großer Anstrengung zu besuchen. Die unteren Räume des Hauses wurden schon damals, wie auch heute, noch an Meßfremde vermiethet, als Gewölbe oder Läden. So erinnert er sich auch noch, als Kind im ersten Stocke auf den Dielen mit vieler Mühe einen Knorzen (Provinzialausdruck für Knorren) aus einem Astloch herausgebohrt und möglichst viel Wasser durch diese Oeffnung hinuntergesprützt zu haben. Er glaubte, diese Heldenthat würde nicht entdeckt werden, täuschte sich jedoch, indem die Waarenballen im unteren Gewölbe alle durchnäßt waren und der Grund davon sehr bald gefunden war. -
Im großen Saale waren die beiden paralellen Thüren in blauer Oelfarbe angestrichen und darauf Bilder aus dem alten Testamente mit grellen Farben gemalt, was für Kinderaugen von großen Interesse seyn mochte. Die Wände in allen Zimmern waren früher schief, nach oben spitz zulaufend, sowie die Dielen im zweiten Stock auch alle nach den Thüren zu schief abhängig waren,
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so daß, wenn die Knaben mit Glicker [Klicker, Kugeln] spielten, dieselben immer von den Fenstern nach den Thüren zu liefen. Der oberste Vorplatz, welcher jetzt mit Kammern zugebaut ist, lag früher ganz frei und ward Bühne benannt.
Früher, als die hlge. Geistkirche noch stand, war das Gäßchen so schmal, daß man sich von den Dachfenstern aus beinahe die Hände reichen konnte und unten gerade noch mit Mühe ein Karren durchgebracht werden konnte. -
Im dritten Stock, in dem einen Stübchen wohnte die Urgroßmutter Sömmerings, und derselbe erinnert sich noch dunkel, wie ihm dieselbe immer, mit dem Schlüsselbund rappelnd, entgegenkam, wenn er hinauf getragen wurde. Die Großeltern bewohnten den ersten Stock, wo neben dem Saale ein kleineres Zimmer nach links sich befand, in welchem nach dem Kaffee sehr oft Sömmering, Heinse [?] und Forster traulich zusammen plauderten - auch kam Göthe oft dahin. - Wenn nur diese Wände erzählen könnten!
Im 2ten Stock wohnten die Eltern
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Sömmerings, wenn sie hier in Frankfurt waren, und da war es auch in einem der Zimmer, das Letzterer sich erinnert, das einzige Mal in seinem Leben von seinem Vater Schläge bekommen zu haben, wegen großen Eigensinns. Er zeigte mir genau das Plätzchen, wo dieser Akt der Gerechtigkeit im Ende des vorigen Jahrhunderts vollzogen wurde.
Die jetzige Besitzerin des Hauses, Frau Vierling, sagte mir, daß das Haus in früheren Zeiten bei Erbschaften immer für [f.] 36.000 angerechnet worden, sie es jedoch im Jahre 1848 für f. 18.000 erkauft habe.
[Die Seiten 33 und 34 wurden bei der Paginierung übersprungen. S. E.]
Band 10, Seite 35
Die Seite 33 ist fälschlich übersprungen.
In letzterer Zeit sey ihnen schon f. 50.000 dafür geboten worden, wofür sie es jedoch nicht hergeben. Daraus kann man ersehen, wie ganz enorm in jetziger Zeit der Häuserwerth gestiegen ist. -
Beim Weggehen zeigte er mir noch das kleine Gäßchen der Eingangsthür gegenüber, in welchem früher die Metzger ihre Stände hatten und wo er sich erinnert, daß ihm ein Metzger öfters sagte, wenn er einmal vorbeikäme und hätte die ersten Hosen an, würde er ihm ein Endchen Wurst geben. Der glückliche Tag der ersten Hosen erschien, obgleich der Kleine noch ein Röckchen darüber tragen mußte, und triumphirend wanderte er am Metzger vorbei und verlangte das Stückchen Wurst mit schlauem Gesicht. Der Metzger zeigte auf sein Röckchen und sagte „Du hast ja noch keine Hosen“, worauf denn der kleine Mann geschwind sein Röckchen hinaufzog und die neue Errungenschaft zeigte, welchem Beginnen sogleich die versprochene
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Belohnung nachfolgte. Könnten die todten Zeugen vergangener Jahre erzählen, was sie erlebt, wie Vieles könnte man darüber schreiben - so verhallt spurlos, was ganze Geschlechter erfüllt; hier wie überall, - nur noch wenige alte Leute erinnern sich warm beim Wiedersehen der alten Lieblingsstellen, was sie da erfahren, gewünscht und gehofft - und diese Wenigen haben nur selten noch in ihrer Umgebung auch wieder ein empfängliches Gemüth für lang verschollene Erlebnisse und Eindrücke. So geht gar Vieles spurlos verloren.
Band 10, Seite 37
Hand, hangende
Saalgasse 23
M.123
3. April 1877
Ein, wie es scheint, im vorigen Jahrhundert neu erbautes Haus und in seinem Inneren ziemlich reich ausgestattet. Ueber der Hausthüre eine abwärts gekehrte Hand ausgehauen mit der Inschrift Zur hangenden Hand. Im Hofe links unter dem Seitenbau ein nunmehr auf dem Boden gedeckter ehemaliger runder Ziehbrunnen. In einem Zimmer des ersten Stocks, das nach dem Hofe liegt, befinden sich in zwei Fenstern einzelne Stücke alter (16. Jahrh.) Glasmalereien eingesetzt. Dieselben sind Grau in Grau nebst einem kleinen bunten Randfragment. Das Uebrige ist sammt dem hölzernen Maßwerk geschmacklose neuere Zuthat. Es finden sich in diesem Zimmer, das zu einer Hauscapelle eingerichtet war, noch mehr von dieser sogenannten Schreinergothik vor, nebst drei geschnitzten Bischofsfiguren, etwa aus dem Ende des 17. Jahrh., mit weißer Farbe über und über angestrichen. Von den nach dem Maine hin gelegenen beiden vorderen Zimmern ist eins mit großen Wandgemälden von Schütz verziert. Sie sind so vortrefflich erhalten, wie ich noch keine dahier gesehen und das Beste, was mir von ihm vorgekommen. Namentlich das kleinere mit der Burg, das wirklich verständig und geschmackvoll angeordnet und ausgeführt ist, was man Sch. [Schütz] in den meisten Fällen nicht nachsagen kann.
Der jetzige Besitzer des Hauses, Herr Maler Lauer, sagte mir, daß er eine große Anzahl
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von Urkunden besäße, welche das Haus beträfen und welche er mir Behufs der Studien zur Verfügung stellen wolle; ich bin begierig, zu erfahren, was das Resultat meiner Forschungen seyn wird. -
Architektonisch Bemerkenswerthes hat das Haus sonst nichts.
Band 10, Seite 39
Alte Pforte in der Stadtmauer
Saalgasse 27
M.125
20. September 1873
Durch das Wegräumen von Steinen, welche jahrelang daselbst gelegen, kam der obere Theil einer rundbogigen Pforte zum Vorschein, der mir sehr alt scheint und ein Ausgang aus der Ringmauer war, s. Ab. [R1134] [R0657] Die unmittelbare Nähe des Saalhofes läßt allerlei Vermuthungen Raum. Auf dem Merian'schen Plan von 1628 ist diese Stelle mit Lagerholz bestellt und verdeckt. Merkwürdig ist, daß Batton dieser Pforte mit keinem Wort gedenkt, er hat sie wahrscheinlich nie gesehen, doch vermuthe ich, daß immer Bretter und Reife für Küfer, welche hier ausgeladen wurden, davor saßen und sie somit verdeckten.
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Saalgasse 27
28. Januar 1874
Die nach dem Main gelegenen Vorderhäuser sind soeben in vollem Abbruch begriffen; bei dieser Gelegenheit untersuchte ich im Inneren den Keller, in welchen die obengenannte alte Pforte führen müßte, da das Haus auf alten Stadtmauern ruht, konnte jedoch keine Spur davon entdecken, indem die Bodenlinie des jetzigen Kellers bedeutend höher liegt als der Scheitel des Bogens dieser Pforte, mithin schon seit langer Zeit ausgefüllt seyn muß.
An dem inneren Mauerwerk war nicht das Geringste wahrzunehmen. Ich selbst erinnere mich einer dreimaligen Verbreiterung des Mainufers vor dem Hause, nur war meine Aufmerksamkeit damals noch nicht auf Dinge dieser Art gerichtet. Auffallend bleibt es immer, daß Batton ihrer mit keiner
Band 10, Seite [40]
Sylbe erwähnt. Jetzt geht sie ihrer gänzlichen Vernichtung mit schnellen Schritten entgegen, und in wenig Wochen wird keine Spur mehr von ihrem dereinstigen Daseyn zeugen. Es ist einer der seltenen und wenigen Ueberreste der ältesten Befestigung noch ein Stück der alten Mainmauer. Allem Anschein nach stammen die darauf gebauten Häuser aus dem 17. Jahrh.
Band 10, Seite 41
Saalgasse 27
14. Mai 1874
Bei dem weiteren Verlaufe des Abbruchs fand sich unter anderen Ueberresten der älteren Bauten auch noch ein sehr schön
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Träger und Wappen. Wurde leider als Baustein wieder vermauert.
in Stein gehauener Träger mit zwei schräg gegeneinander gestellten Wappenschildern vor, s. Ab. [R0653] [R0655] Das eine trägt das Wappen der Familie Knoblauch, das andere den der Familie v. Daghusen.
Im Hofe des Hauses befand sich früher an dem Seitenbau rechts ein hölzerner Treppenthurm, über dessen Thüre in äußerst zierlicher profilirter Einrahmung, mit einer eleganten Ablaufplatte überdeckt, zwei schräg gegeneinandergestellte Wappenschilde unter einem gemeinschaftlichen Helm sich befanden, es waren die Wappen der Familien Glauburg und wahrscheinlich Knoblauch.
Eine Zeichnung davon und Beschreibung ist mir ganz unbegreiflicherweise abhanden gekommen. Bei einer durch Herrn Dondorf im Jahr 1851 vorgenommenen Reparatur mußte das Thürmchen entfernt werden, jedoch ließ er das ganze Feld mit den Wappen, welche wie es schien, in Stuck ausgeführt waren, (genau untersucht und gezeichnet hatte ich sie leider nie) in der oberen Wand des Seitenbaus zwischen zwei Fenstern anbringen, um es zu erhalten. Bei dem nun im Gange befindlichen Abbruch kam er abhanden, ohne daß ich darum wußte, weil ich auch immer in dem Glauben war, eine Zeichnung davon zu besitzen.
Band 10
Bodenplättchen
In dem Bauschutt fanden sich drei, mir noch bis jetzt unbekannte Muster von Fußbodenplättchen, s. Ab. [R0656] [R0654a-b], sie waren bereits hinaus an die Windmühle als Grund zum Ausfüllen gefahren und dort abgeladen worden; bei einem Gang, den ich heute Morgen dorthin machte, fiel mir an einem Stück gebrannten Steines, das schräg von der Sonne beleuchtet war, ein Ornament ins Auge, ich untersuchte es und entdeckte die Plättchen natürlich nur in Bruchstücken, welche zerstreut herumlagen. Sogleich er-
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kundigte ich mich, woher der Ausfüllschutt geholt worden sey und erfuhr, daß er von dem Abbruch in der Saalgasse stamme. Die Ergänzungen zeigen zur Genüge, daß es sich der Mühe verlohnte, die Stücke zusammenzusuchen und nach Hause zu tragen. Was mag alles schon auf diese Weise unerkannt und ununtersucht verlorengegangen seyn.

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